GÜNTER GRÜNWALD

Deppenmagnet | 26.07.2016

Mit Frau Jaffa im Swingerclub Kreisverkehr

Günter Grünwald hielt in der Alitzheimer DJK-Halle als "Deppenmagnet" mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.

Nein, Günter Grünwald kann es nicht mehr hören. Dieses ihm so wohlbekannte Geräusch.

Ssssssst, klonk! Denn dieser Ton heißt nichts anderes, als dass er als bekennender "Deppenmagnet" seine Wirkung auf die geistigen Tiefflieger in seiner Umgebung wieder einmal trefflich unter Beweis gestellt hat. "Wenn im Umkreis von 50 Metern ein Depp ist – ssssssst, klonk! – schon ist er da." Das kann anstrengend sein. Richtig anstrengend. Und davon erzählt er im fast voll besetzten DJK-Sportheim von Alitzheim.

Wenn er so darüber nachdenkt, gibt es schon viele Typen der Spezies Mitmensch, der das Etikett "Depp" geradezu magisch anzuhaften scheint. Jene etwa, die ihre Brötchen lieber im Backshop kaufen als beim Bäcker um die Ecke, nur weil sie dort einen Fünfer billiger sind. Doch dafür gibt es eben Industrieware aus Fernost.

Riesen-Teiglingsfabrik

Dann erzählt er bildlich opulent von dieser Riesen-Teiglingsfabrik im Reich der Mitte, "wennst nei fährst nach China gleich rechts." Von dem kleinen Chinesen, der dort die Zutaten in die Backmischungen reinschaufelt. Der keine Ahnung hat von der Produktvielfalt hierzulande, von Brezeln, Sonnenblumen-, Kürbiskern- und Sesambrötchen, und der sich nur fragt, warum da kein Hund reinkommt. Oder wenigstens ein bisschen Katze.

Ein weiterer hoffnungsloser Fall: Der Kochshow-Gucker. Wie könne man nur begierig an den Lippen der TV-Kochlöffelschwinger hängen für derart sinnentleerte Mengenangaben wie "man nehme zwei Handvoll Reis"? Sehr dehnbar diese Aussage, meint Grünwald. Bei einem kernigen Mannsbild aus Bayern mit richtigen Pratzen habe man da leicht sechs Kilo, bei einem zarten Asiaten vielleicht 60 Gramm, rechnet er vor. Also nix für ihn: "Von Mälzer brauche ich kein Kochbuch. Da langt mir ein DIN-A-5-Zettel, auf dem steht: Nehmen Sie was Sie wollen und hauen Sie es in den Topf rein."

Grünwald spielt gerne mit Klischees. Die er auch gerne mal ins Gegenteil verkehrt, um sie noch absurder erscheinen zu lassen. Etwa, wenn er von dem Friseur erzählt, der seine Selbstverleugnung satt hat und daher beschließ, sich auf einem Plakat als heterosexuell zu outen. Woraufhin die Welt in dem kleinen bayerischen Provinzkaff, in dem er lebt und arbeitet, vollkommen aus den Fugen gerät. Wo soll das schließlich hinführen, wenn nicht mal mehr der Friseur schwul ist?

Spiegel vorgehalten

Der Ingolstädter hält seinem Publikum schonungslos den Spiegel vor und, geschickt verpackt zwischen seinen Pointen, auch mit seiner eigenen Meinung nicht hinter dem Berg. Um gleich beim Thema zu bleiben: Den Komiker freut es etwa, dass "schwul" als Schimpfwort längst ausgedient hat. Dass ein Outing heutzutage kein Problem mehr ist, "vielleicht noch bei Sportlern, außer er macht Synchronschwimmen." Für seinen Zusatz "Ich würde es mir im Fußball wünschen", bekommt er spontan Applaus.

Grünwald hangelt sich geschickt durch seine Deppenparade. Erzählt von Kindern, die den Blick kaum mehr vom Handydisplay nehmen können. Von Prominenten, die sich, dem Wahn der ewigen Jugend folgend, unter das Messer begeben. Wie Costa Cordalis, ätzt der personifizierte Deppenmagnet: "Dessen Schönheitschirurg war wohl erst Postbote und hat dann einen Fernkurs gemacht bei Doktor Frankenstein."

Und schon verkehrt er diese Episode wieder ins Absurde, erzählt von den Qualen, die er selbst auf sich genommen hat, um seinen Traumbody komikergerecht ummodellieren zu lassen. Wie der Waschbrettbauch mit Fremdfett kaschiert, der Knackarsch geplättet wurde. Selbst vor einer Penisverkürzung habe er sich nicht gescheut: "20 Zentimeter wurden da schon rausgenommen."

Und noch jetzt sei es schwer, die teuer erschaffene, ideale Komikerfigur zu halten. Wenn ihn etwa die Lust auf Sport und gesundes Essen übermannt: "Dann braucht es eiserne Disziplin: Ab auf die Couch und Chips fressen."

Seine große Stärke hat Grünwald, wenn er sich daran macht, seine "Deppen" vor dem geistigen Auge seiner Zuhörer lebendig werden zu lassen. Richtig schön plakativ malt er dann mit dem verbalen Pinsel die skurrilsten Gestalten. Wie dieses Pärchen aus einer Fernseh-Reportage über den Swingerclub "Kreisverkehr". Er ein Typ mit einem Riesenranzen, der einen Schnurrbart ebenso trägt wie eine blau getönte Pilotenbrille und eine falsche Rolex, und bei dem der Spruch "Ich geh' mal für kleine Königstiger" angesichts seiner gewagten und geschmacklosen Tigerunterhose gleich eine ganz andere Bedeutung bekommt.

Und dazu seine Gespielin, die dank ihrer blondgefärbten Wallemähne, bei der sich langsam schon wieder der schwarze Haaransatz bemerkbar macht, aussieht "wie ein Stinktier, das 400 Mal vom Bus überfahren wurde." Die derart Cellulite hat, dass sie Grünwald spöttisch "Frau Jaffa" nennt und sich fragt, "ob die im Bett schläft oder in der Obstkiste."

Ja, der aus dem Bayerischen Fernsehen bekannte Freitags-Comedian scheut die deftigen Worte nicht. Ganz im Gegenteil. Was aber nicht heißt, das er nur blindlings mit dem humoristischen Säbel draufhaut. Sein Programm trieft nur so vor feiner Ironie, auch wenn sie meist derb verpackt ist. Die ihm auch schon mal böse Zuschauerpost einbringt, wenn er im Fernsehen wieder ein richtig loses Mundwerk hatte. Auch davon berichtet er. Wenn er etwa auf die Panikmache der Dresdner Pegida vor Überfremdung antwortet: "Schickt uns alle Muslime, die ihr habt, nach Bayern. Wir nehmen die gerne. Aber dafür nehmt ihr wieder alle Sachsen zurück."

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Und der Schlusssatz ist, so hat Grünwald festgestellt, in solchen Briefen meist derselbe: "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen." Man darf. Grünwald ficht das nicht an. Er nimmt ja auch selbst kein Blatt vor den Mund. Und er kennt sein Klientel. Ssssssst, klonk!


mainpost.de | Matthias Endriss